Mit Hans Manz zwischen Zürich und Casale Maritimo

RB: Hans Manz, du hast am 16. Juli deinen 70sten Geburtstag gefeiert. Im Frühjahr 2002 erscheint der erste klassische Geschichtenband: warum so spät? 
HM: Die Zeit ist jetzt endgültig gekommen, in der ich mich vom Genre der «Kinderliteratur» verabschiede, auch von Lyrik jeglicher Art. Meine Neugier auf Geschichten, ausgelöst von konkret erlebten Situationen, real existierenden Personen aus meinem Alltag, hat sich in meinem literarischen Schreiben seinen Platz gesucht. Mit zunehmendem Alter 
wurde ich auch irritierbarer, was mir einen entsprechend anderen Blick auf die Bruchstellen des Lebens gab.

RB: Einerseits bist du mit «Nichts ist so wie es ist» ein Débutant, andererseits steht da ein umfangreiches Werk. 
HM: Halt! Halt! Diese Geschichten stehen zwar für einen Neuanfang, aber da gibt es eine literarische Vergangenheit. Als Journalist schrieb ich zum Beispiel den legendären Gastroführer «Zürich - Paris» (fürs damalige «Magazin») und dann natürlich bereits vor 20 Jahren den Roman «Grund zur Freude», der im renommierten Walter Verlag erschien. Und 1994 erhielt ich für den Lyrikband «Wachsamkeit des Schläfers» (Waldgut Verlag) den Schillerpreis für Lyrik. 
RB: Wovon handeln die Geschichten? 
HM: Im Wesentlichen von Menschen, die in Schieflage geraten sind. Dabei interessiert mich vorallem wie sie sich verhalten, weniger wer oder was sie sind. Es ist letztlich ein desillusionierter Blick auf das Verhalten der Menschen. 
RB: Der Titel «Nichts ist so wie es ist» - spielt auf eine Welt an, die sich in einem hin und her von Schein und Sein zeigt. Damit stellllst du dich in eine grosse literarische Tradition. Cechov und Carver treffen sich zum Besipiel dort. Vorbilder von dir? 
HM: Vorbild gibt es nur eines und das ist Tolstoj. Und von ihm die eine grosse, überwältigende Erzählung: «Wieviel Erde braucht der Mensch». Diese Frage versuche auch ich zu beantworten. 
RB: Wieviel braucht er denn? - Du lebst seit einigen Jahren ein bisschen südlich von Livorno, in einem Dorf, das wie eine Bienenwabe an einen Hügel geklebt ist. Mit einer Fernsicht bis nach Korsika. Ort für eine Schule der Wahrnehmung? 
HM: Seit bald 30 Jahren lebe ich mit meiner Frau immer wieder in Italien. Wa-rum dort? - In Italien, weiss ich, dass, wenn ich ein Problem habe, es gelöst wird. Wenn ich z.B. hier im Norden ein Problem habe, vergiss es, da gibts keine Lösungen dafür. Nur neue Probleme. Nie bin ich so ich selber wie in Italien, und dieses Pendeln zwischen zwei Lebensräumen, hat die Art meiner Wahrnehmung wie verdoppelt. 
RB: Der Lehrer, der du ursprünglich warst zieht seine pädagogischen Spuren durch das bisherige Werk. Jetzt dies. Geschichten von Herr und Frau Jedermann, vor denen sich urplötzlich Abgründe auftun, deren Welt aus den Fugen gerät, denen auch eine Moral von der Geschichte nur noch selten weiterhilft. 
HM: Der Hans Manz hat sich von Allem entfernt, was ihn bisher beschäftigt hat. Er registriert nur noch. Mit viel Distanz. 
RB: Also keine pädagogische Absichten? 
HM: Mein Schreiben war immer subversiv, unheimlich, ironisch. Neu ist der fatalistische Aspekt. Ich bin skeptischer, nüchterner geworden. 
RB: Du bist ein begnadeter Vorleser. Im Jahr 2000 hast du ein völlig überraschtes Publikum am Lyrikfestival in Berlin begeistert, wo du neben Grössen wie Adolf Enders, Rosa Pock las H.C. Artmann, Durs Grünbein, Raphael Urweider, Armin Senser u.a. aufgetreten bist. Du liebst es aufzutreten? 
HM: Jetzt ja. Früher nein. Wenn auch immer ich vorlese, hat das Konsequenzen. Für mich, für das Publikum, für mein Schreiben. 
RB: Im selben Jahr räumtest du ja auch am Literaturfestival in Leukerbad ab. Auch wieder mit Texten aus deinem «sprachspielenden» Werk. 
Überrascht dich wie du ankommst in der Literarischen Liga? 
HM: Und wie! Leukerbad war ja schon ein Wiederholungsfall. Die totale Überraschung war für mich Berlin. Auf dem Büchertisch fand sich nicht mal ein einziges Buch von mir. Genauso überraschend wäre für mich, wenn mein neues Buch beim Publikum ankäme, ein Erfolg würde. 
RB: «Seine Sprache ist wie Brot» ... 
HM: ... das hat Peter Meier damals über meinen ersten Roman geschrieben ... 
RB: ... und Thomas Kapielski, der scharf-züngige deutsche Satiriker und Poet, beschreibt im neuen Buch seinen Auftritt in Leukerbad und feiert dabei Hans Manz als famosen Autor. Fühlst du dich geehrt? 
HM: Natürlich. Er ist ja auch ein feiner Kerl, der Kapielski. Aber noch amüsanter finde ich, dass er meine Art als luftgetrocknet und mich als soignierter und zerzauster Herr beschreibt. 
RB: Und jetzt, Hans Manz? 
HM: Ein Teller Buccatini im Ristorante Cinque, dann packen meine Frau und ich den Koffer und fahren zum Überwintern nach Italien. Probleme lösen und ein neues Buch schreiben. 
R.B. Danke und gute Fahrt.

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RB: Hans Manz, du hast am 16. Juli deinen 70sten Geburtstag gefeiert. Im Frühjahr 2002 erscheint der erste klassische Geschichtenband: warum so spät? 
HM: Die Zeit ist jetzt endgültig gekommen, in der ich mich vom Genre der «Kinderliteratur» verabschiede, auch von Lyrik jeglicher Art. Meine Neugier auf Geschichten, ausgelöst von konkret erlebten Situationen, real existierenden Personen aus meinem Alltag, hat sich in meinem literarischen Schreiben seinen Platz gesucht. Mit zunehmendem Alter 
wurde ich auch irritierbarer, was mir einen entsprechend anderen Blick auf die Bruchstellen des Lebens gab.

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