Menschen ohne Gesichter, ein Dorf, das im Schnee erfriert, die unfassbare Schattwand - als Severin Somm in Gspona eintrifft, ahnt er schon, dass die Flucht vor seinem bisherigen Leben hier endet. Ein entfernter Bekannter hat ihm in Gspona ein Haus vererbt. Zu seiner Ueberraschung steht es nicht leer. Die unnahbare Bewohnerin, Lucrezia Camminada, geniesst sogar Wohnrecht auf Lebzeiten. Wohl oder übel richtet sich Severin Somm in der anderen Hälfte des Gebäudes ein. Bei seinen ersten Erkundungen stösst er auf ein zugemauertes Zimmer. Er findet Frauen- und Kinderkleider, Spielzeug, einen Stapel alter Skizzenbücher. Die Zeichnungen stammen von der Frau des früheren Besitzers. Es sind die Bilder einer grossen Liebesgeschichte, Dokumente eines Frauenschicksals in den fünfziger Jahren.
Lawinenniedergänge schneiden Gspona von der Umwelt ab. Severin Somm nimmt die letzte Chance zur Flucht nicht wahr. Die Rückkehr in sein früheres Leben ist unmöglich. Die unaufhörlichen Schneefälle schränken seinen Bewegungsradius immer mehr ein, bis er und Lucrezia im Haus gefangen sind. Gegensätze und Welten prallen aufeinander. Genau wie bei Severins Rekonstruktion der Vergangenheit. Er verliert sich immer mehr in den Zeichnungen, in den Bergmythen, die sie heraufbeschwören, im Leben der unbekannten Künstlerin. Er erfährt, wie sie und ihr Mann Gspona der Welt hatten öffnen wollen, und wer die Familie deswegen ins Verderben stürzte. Peider Capun, der Sohn des vermeintlich Schuldigen, lebt noch immer im Tal. Als Lawinenwart ist Capun verantwortlich für die Sicherheit der Eingeschlossenen. Er entpuppt sich als Geliebter von Lucrezia. Auch deren Familie, findet Severin heraus, hatte in Gspona gelebt, damals, an jenem Tag vor Jahrzehnten, an dem die Wand ihren Schatten auf das Dorf warf und die Gsponer ihr Gesicht verloren.
«Gerade war ich in den Walliser Alpen gewesen und hatte über diese besondere Art der Schweizer Berge wieder einmal gestaunt, und wie sie einen beschäftigen, auch beunruhigen können. Kurz danach bekam ich ein graues Buch in die Hand, eine Bergwand ist darauf eingeprägt, nur so der Schatten einer Bergwand, der Titel paßt, und sehr klein steht unter dem Titel 'Bergdrama'. Es ist mindestens dreißig Jahre her, daß ich ein Bergdrama gelesen habe, das war immer wunderbar gruselig, aber es ist eben eine Weile schon her. "Fortunat Wiler starb in der Nacht, als Noah gezeugt wurde." Erst ist das Buch schön, und dann fängt es auch noch so an. Und sofort will ich es genauer wissen, wie das mit Fortunat Wiler und Noah war, und wie das zusammenhing, der Tod des einen mit der Zeugung des anderen. Das ist gegen 22 Uhr. Gegen 3.30 Uhr weiß ich es. Dazwischen habe ich vergessen, auf die Uhr zu sehen; leider auch zu schlafen. Es ist ein Bergdrama. Wenn man genau hinschaut, sind es sogar zwei Bergdramen, was einem fast gar nicht auffällt, weil sie unmerklich ineinander gearbeitet sind, ineinander übergehen, einen Bogen spannen, einen Schweizerbogen über fünfzig Jahre irgendwo an der schweizerisch - italienischen Grenze, und man ist noch nicht fünf Seiten weit, da hat einen die Exotik des Bergalltags gepackt: mitsamt der Wolfsschlucht, den Sonderlichkeiten eines fast leeren Dorfes, vergangener Vorgänge, die stückweise ans Licht gebracht werden, und das zieht einen rein in das Dorf Gspona bis weit in die Nacht, weil der Autor, Urs Augsburger, natürlich weiß, worauf er sich – mitten im aktuellen Betrieb der alltäglichen Exotikimporte, die wir serienweise im Fernsehen bekommen – einläßt, daß er einen Genretext schreibt. Formale und erzählerische Rasanz und großes Raffinesse braucht das, wenn einer sich in eine Gegend begibt, in die die Handys nicht hineinreichen und wo die Stecker für den Laptop nicht kompatibel sind, und da wird es natürlich spannend. Gruselig übrigens auch. Obwohl diese Gegend doch ziemlich nah ist. Das traut sich hierzulande und heutzutage kaum einer mehr. (...)»Birgit Vanderbeke (Die Bestsellerautorin von 'Muschelessen')
«Urs Augstburger erzählt die beklemmende Geschichte der 'Schattwand', (...) und hat ein grandioses Puzzle - Spiel vorgelegt. Humor, Fantasie und Erotik zeichneten schon Augstburgers vorangegangene Romane aus. Hinzugekommen ist neu eine spezifische schriftstellerische Geduld, wenn man das überhaupt so nennen kann. Urs Augstburger gelingt im neuen Buch ein Verweilen bei einzelnen Figuren oder auch Gegenständen; die Beschreibungen gewinnen dadurch an Präzision und Plastizität und erzeugen darüber hinaus eine eigentümliche Beklemmung, die mit schnellen Bildschnitten nicht zuerreichen ist. - Keine Frage: diese 'Schattwand' wird Leserinnen und Leser in ihren Bann ziehen.»Markus Bundi, Aaargauer Zeitung
«Das ist es wirklich: Ein Wurf! Wer hätte gedacht, dass es mal einer schafft, die Mythen und Sagen der Bergwelt in einen modernen Roman zu packen. Und nun dies: Nicht nur modern weil die Geschichte heute spielt und Handy und Internet vorkommen, sondern und vorallem weil die Geschichte in fast 'filmischer' Schnitttechnik geschrieben ist und auf diese Weise eine Spannung entsteht, die den besten Krimis nahe kommt. - Oder gar übertrifft. Ramuz, Ludwig Hohls Bergfahrt, Otto F.Walters 'Stumme' kommen einem in den Sinn, wenn man atemlos durch die Manuskriptseiten hetzt, und dennoch ein völlig eigenständiges und originelles Buch auch eine wunderbare Liebesgeschichte.»Andrea Spychiger, Verlagsvertreter
«Lieber Ricco, da hast Du mir ja ein paar spannende Stunden ins Haus geschickt. Was für eine Geschichte! Sie hat mich gepackt wie seit langem keine mehr; ich kam mir vor wie die 17jährige Leseratte, die alles um sich her vergisst. Herzlichen Dank; ich werde für das Buch tun, was ich kann.»Franziska Schläpfer, 'Buch aktuell'
«Mysteriöse Verwandtschaften, gewaltsame Tode, gruselige Sagengestalten, Naturkatastrophen und animalischer Sex: In Urs Augstburgers Erzählung 'Schattwand. Ein Bergdrama' ist ziemlich viel los. (...) Urs Augstburger weiss zu erzählen. Überzeugend wirkt insbesondere seine kühle, trockene Sprache mit ihren kurzen, stakkatoartigen Sätzen. "Fortunat Wiler starb in der Nacht, als Noah gezeugt wurde", lautet etwa prägnant der Anfangssatz. Leitmotive wie der Wolf sind klug gesetzt, die düstere, nur selten leicht aufgehellte Atmosphäre streng durchgehalten. Wir merken, die Hauptperson erlebt so etwas wie eine Zeitenwende. Und durch den Spalt zwischen Nicht mehr und Noch nicht dringt das Irrationale ein: Mythos, Naturgewalt und das Animalische in einem drin. Das ist schön gemacht.»Irene Widmer in die 'Südostschweiz‘, 'Winterthurer Landbote‘ und 'Solothurner Zeitung‘.
Tags: Schweiz
Roman, 247 Seiten, gebunden«Schattwand» ist vergriffen und nur noch in der TB-Ausgabe bei dtv erhältlich.