In sechsundzwanzig Geschichten erzählt Katharina Faber von Liebenden und der Tyrannei der Zeit. Sie erzählt vom doppelten Gesicht einer Zeit, die alles tötet, die alles mit sich reisst. Oder versöhnt in der Erinnerung und tröstet durch ihr allmähliches Vergehen.
Es sind Blitzgeschichten - Geschichten, die wie ein Blitz in der Nacht riesige Landschaften erhellen und sie für einen Augenblick verzaubern. Die Landschaften der Liebenden.
Ein alter Mann streicht für seine tote Frau die Wohnung neu und bekommt Post von ihr. Ein ewig junges Wesen verfolgt wie rasend einen gealterten Geliebten. Sie will nicht, dass bei ihm die Wunde heilt. Eine andere sinkt glücklich und wirr in einen kurzen morgendlichen Schlaf. Ein Junge sucht im ganzen Haus nach seiner Freundin und findet sie in allen Zimmern - mit fremden Menschen aus einer Zukunft, in der er nicht mehr vorkommt.
«Hast du gemerkt, wie das Alter kommt: Du suchst dein Zeugs zusammen und findest plötzlich ein Messer - du zählst alle Stunden und Tage zu einer einzigen grossen Nacht und ritzt in den weissen Kalk der Wände immer wieder und Nacht für Nacht die falschen Ziffern deiner kranken Zeit -»
«In manchen Nächten heulst du stundenlang wie ein Wolf, die Fischer draussen vor der Küste erschauern unter ihren bunten Jacken, hier gibt es keine Wölfe, das muss dieses seltsame Wesen sein, diese riesige weisse Fledermaus, das schöne rothaarige Mädchen, das schöne weissblonde Mädchen, das schöne Mädchen mit den tellergrossen Augen, von dem die Frauen sagen, wer es auf einem Felsen sitzen oder sehr langsam übers Moor schweben sieht - der muss im selben Jahr noch sterben -»
«Gestern, als du gingst, entdeckte ich schon wieder eine Neuigkeit an mir: Mein Schädel bricht durch die Stirnhaut und wächst mir seitlich in zwei Höckern wohl bald zum Geweih - so gross wie beim Hirsch - nur weil du heimgegangen bist zu deiner neuen Frau, die dich seit Stunden am Flugplatz erwartet und langsam ungeduldig wird.»
«Katharina Faber ist eine Geschichtenerzählerin mit gefährlich hoch dosiertem Verführungspotential.» Christine Lötscher «Eines der schönsten deutschsprachigen Bücher der Gegenwart über die Liebe und Liebende.»Alexander Kluy, Der Rheinische Merkur
Sie besitzt die Fähigkeit, Stimmungen heraufzubeschwören wie Patricia Highsmith, sie pflegt den poetischen, desillusionierten Ton eines Rimbaud und erzählt Geschichten, so facettenreich und surreal, wie wenn sie ein Bild von Salvador Dali nachempfinden müsste. Bei Faber wird “Liebe” zur blutrünstigen Fledermaus, die sich vom imaginären Turm in Brasow auf den Zürcher BluewinTower verirrt und sagt: “Du willst nicht, dass die Wunde heilt.” Katharina Fabers Texte sind fast immer polyphon und es irritiert , da zuweilen nicht klar ist, wer spricht. Doch, wer das Glück hatte, der Autorin beim Vorlesen zuzuhören, der kann die Stimmen plötzlich zuordnen uns sich Gesichter dazu denken. In «Le petit déjeuner africain», einer Kurzgeschichte aus dem Band «Mit einem Messer schneide ich die Zeit», wird in reizvoller Weise die revolutionäre Aufbruchstimmung in einer südfranzösischen Landkommune der Siebzigerjahre beschrieben. Da wird klar, dass Katharina Faber aus einem reichen Fundus schöpft – einerseits aus ihrem bewegten Leben, andererseits aus der konsequenten Einverleibung von Weltliteratur. Mit gutem Grund stellt art-tv diese Autorin neben andere grosse Namen der Schweizer Literatur – obschon von ihr erst zwei grössere Werke publiziert sind: «Manchmal sehe ich am Himmel einen endlos weiten Strand» 2002, Roman, Bilger Verlag und und «Mit einem Messer schneide ich die Zeit» 2005, Prosa, Bilger Verlag. Eine Kostprobe: »Elegie heisst auf deutsch: Verschmiert vor dem Spiegel. Das heisst Elegie. Wenn man nicht aufhört, sich zu sehnen. Falsch: Es heisst anders – ich kann aber nicht sagen, wie. Sie soll doch mal versuchen, ihre Gegenwart zu bewohnen. Nach dem Nachhausekommen Ordnung schaffen! Nicht immer gleich alles fallen lassen. Die Jacke an den Haken. Was hast du denn gestern wieder Grosses gewollt? – Gleich sagt sie etwas über die Streiterei in ihrem Kopf, den Wettkampf der Stimmen. – Gleich sagt sie noch, du solltest mich jetzt sehen, wie ich komplett verschmiert vor dem Spiegel sitze, oder sie sagt, hierzulande reden sogar die eigenen Schutzengel wie Polizisten.«Gabriela Koester, art-tv (Zum Beitrag)
Prosa, 220 Seiten, gebunden