Rauriser Literaturpreis 2002 für das beste deutschsprachige Debüt« (Jury: Hubert Winkles / Charles Linsmayer)«Manchmal sehe ich am Himmel einen endlos weiten Strand» ist - der Titel ist einem Gedicht von Arthur Rimbaud entnommen. Als wäre die Bewegung der Wellen auf dem Meer Sprache geworden. Die Geschichte um die exzessive und implodierende Liebe zwischen dem jugendlichen Mörder Alain Noiret und der desillusionierten Darja Savary, einer Frau zwischen den Jahren, fährt erschreckend tief unter die Haut. Sinnlich, sarkastisch, hart, verzweifelt, animalisch, analytisch, unbarmherzig. Durchtränkt von einem feinen Humor und praller Lust am Leben. Pures Lebensfieber. Katharina Faber lebt und schreibt in Zürich.
In einer kleinen Stadt im Südwesten Frankreichs lebt ein seltsames Paar. Darja Savary, die Gründerin der Grossgarage Montadour Cyclo Comp., hat den jungen Alain Noiret beim Versuch ihr Auto zu stehlen ertappt. Sie hat ihn nicht angezeigt, sondern ist mit ihm zu sich nach Hause gefahren. Sie weiss nicht, dass er ein Mörder und aus der psychiatrischen Verwahrung auf der berüchtigten Insel Mahan geflohen ist. Sein Verhalten ist pedantisch, er redet kaum, er bleibt fremd in Darjas Umgebung. Alain Noiret weiss nichts über Darjas bewegte Vergangenheit, nichts über den Tod der Väter ihrer jetzt erwachsenen Kinder, nichts über die heimlich geschriebenen Bücher für den Zeitgeistautor Ferlinghetti. Alain trifft Darja in einem schwierigen Moment ihres Lebens. Die Bank verweigert ihr einen Kredit für die einstmals blühende Montadour und drängt Darja Entlassungen auf, die Krise des Betriebs wird zu ihrer eigenen. Darja fällt in alte Gewohnheiten zurück, trinkt zuviel, verliert allmählich die Kontrolle über ihr Leben. Trost findet sie an Alains wortloser, fremder und animalischer Nähe. Alains Gedanken kreisen um die Fortsetzung seiner Flucht über Portugal nach Argentinien. In einem zunehmend exzessiv erzählten Pas-de-Deux von Verlorenen umkreisen die beiden einander in grösster Nähe und eiserner Verschwiegenheit. Während sich die Türen des Hauses vor den alten Freunden schliessen, feiert das Paar sich selbst und seine Gegenwart in den Zeiten des Niedergangs. Bis ein einziges Wort, ein falsches, die Katastrophe auslöst.
Bruno Steiger ist begeistert. Ein "furioses" Debüt nennt er diesen Roman der Schweizer Schriftstellerin, der im "polyphonen Monolog" ein Jahr der Liebe zwischen der Garagenbesitzerin Darja Savary und dem psychopathischen Mörder Alain Noiret rekapituliert. Die sich abwechselnden Stimmen, die im Text aufscheinen, die "ingeniöse Schnitttechnik", mit der die Autorin von Erlebnisbericht zu Kommentar und Bekenntnis wechselt, erinnern Steiger an einen Film, von dem nur die Tonspur erhalten ist. Die dazugehörigen Bilder würden in "aufflackernden Realsequenzen" fast sichtbar. Katharina Faber versteht es, in ihren "kalt brennenden Bilderfluchten" sowohl "luzide" als auch "desillusioniert" zu erzählen, schreibt der offenbar tief beeindruckte Rezensent. NZZ, 15.5.2002 (Perlentaucher) »Als die Unternehmerin Darja Savary den jungen Alain Noiret trifft, steht sie vor den Trümmern ihrer Existenz. Müde, kaputt und alkoholsüchtig klammert sich die einst so schöne, männerverschlingende Frau an jenen verschlossenen Jungen, von dem sie nicht weiß, dass er ein Mörder ist. Es ist eine Flucht aus der Wirklichkeit in den sexuellen Exzess, denn gleichzeitig übernehmen in ihrer Firma die Berater von Crédit Lyonnais die Führung. Immer enger kreist Katharina Faber, 50, in ihrem Romandebüt diese beiden Verlorenen ein. Souverän, zärtlich und zynisch beschreibt sie Menschen, die Erfolg mit Glück und Macht mit Liebe verwechseln. Provozierend entblößt Faber gleichzeitig auch die Brutalität der Marktwirtschaft. Dieses Buch, bei einem kleinen Schweizer Verlag erschienen und zu Recht mit dem Rauriser Literaturpreis 2003 ausgezeichnet, ist eine Entdeckung.« Der Spiegel, Kultur, Silja Ukena»Katharina Fabers bisher eher leise vernehmbarer Ruf als hervorragende Erzählerin, den sie durch ihr Romandebüt "Manchmal sehe ich am Himmel einen endlos weißen Strand" (2000) begründet und durch den Erzählungsband "Mit einem Messer zähle ich die Zeit" (2005) weiter ausgebaut hat, wird durch ihr jüngstes Buch gefestigt. Dass es zudem voller diskreter literarischer Anspielungen steckt, die fast beiläufig den intellektuellen Lesegenuss befördern, soll nicht unerwähnt bleiben - vor allem aber beeindruckt der Lebenshunger, der hier so vehement Ausdruck findet.« FAZ, Beate Tröger
Tags: Südfrankreich
Roman, 303 Seiten, gebunden